Das Licht am Ende des Tunnels

Weihnachten – In der Nacht · Zu Jes 9,1–6

 

ALLES WIRD GUT, ANDRA TUTTO BENE

 

Alles wird gut! Das war in diesem vergangenen Jahr oft zu hören und zu lesen. Im Frühjahr hat es in Italien an den Fenstern und Balkonen gehangen, um den Menschen Mut zu machen in der größten und furchtbaren Corona-Krisenzeit dort: „Andrà tutto bene.“ Alles wird gut! Es waren schreckliche Bilder, die uns von dort erreicht haben im März: verzweifelte Ärzte und Krankenschwestern auf den Intensivstationen, Militärkonvois, die Särge abtransportiert haben. Und es ging weiter mit den furchtbaren Bildern und Zahlen: tausende Tote auch in Spanien und Großbritannien, in den USA, bald auch in Südamerika und Afrika. In den armen Ländern dieser Erde richtete das Virus ganz besonders schlimmen Schaden an: Dort waren Menschen, die nicht arbeiten konnten, zusätzlich noch ihrer Lebensgrundlage beraubt, sie waren mit ihren Familien wirklich vom Hungertod bedroht. Auch die kirchlichen Hilfswerke haben dieses Jahr so oft Alarm geschlagen wie nie. Ganze Völker, zum Beispiel am Amazonas, waren vom Aussterben bedroht. „Das Volk, das in der Finsternis ging.“ Dieser Satz aus der Lesung bekommt da eine neue Bedeutung, eine ganz aktuelle Dramatik. Ja, die Finsternis war wirklich groß in diesem Jahr, das hinter uns liegt. Und viele haben sich gesehnt nach einem Licht am Ende des Tunnels, nach einer besseren, gesünderen, friedlicheren Zukunft.

 

FINSTERNIS UND EINSAMKEIT

 

Bei uns in Deutschland war die Finsternis, die das Corona-Virus gebracht hat, im Vergleich zu anderen Ländern nicht ganz so finster. Die ganz schweren Krankheitsverläufe und die Todesfälle hielten sich bei uns in Grenzen, und verhungern muss bei uns Gott sei Dank auch niemand, wenn er seinen Job verliert. Aber natürlich: Viel Finsternis gab es bei uns auch. Menschen, die um ihren Job bangen mussten oder ihn gar verloren haben. Menschen, die selbst krank geworden sind oder sich um einen Kranken in ihrer Nähe gesorgt haben. Menschen auch, die um einen verstorbenen Angehörigen oder Freund getrauert haben. Und dann ist da auch eine besondere Form von Finsternis in dieser Corona-Krise: die Einsamkeit. Sie hat vielen zu schaffen gemacht. Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln haben dazu geführt, dass wir weniger Menschen getroffen haben als in normalen Jahren. So viele Feste und Veranstaltungen mussten ausfallen. Die Begegnung mit anderen, auch körperliche Nähe, Umarmungen: Die haben vielen sehr gefehlt. Dunkle Stunden, das sind für viele Menschen auch gerade die einsamen Stunden, in denen sie sich nach anderen Menschen sehnen.

 

EIN LICHT STRAHLT AUF

 

„Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht.“ So hat vorhin die Lesung angefangen, jedes Jahr wird sie an Heiligabend gelesen. Es geht um die Ankündigung eines neuen Herrschers und einer neuen Zeit – und zwar einer hellen, wunderbaren, friedlichen Zeit. Alles wird gut! scheint der Prophet Jesaja da zu sagen. „Ein Licht strahlt auf“ – in der Finsternis und dem Dunkeln, das wir erleben, gerade in diesem vergangenen Corona-Jahr, scheint Hoffnung auf. Ein Licht am Ende des Tunnels sozusagen. Das können wir gut gebrauchen – und wir können es zugleich auch manchmal kaum glauben. Wo soll denn das Licht herkommen? Wie kann es jetzt wieder hell werden, in diesen Krisen der Welt und in meinen ganz persönlichen Krisen? Aber wahrscheinlich hat das Volk Israel das damals auch schon so gedacht, vielleicht haben es gläubige Menschen vergangener Jahrhunderte immer wieder gedacht: Kann es wirklich wieder heller werden? Kann alles gut werden?

 

Aber dann war da auch immer wieder die andere Erfahrung, zum Beispiel nach den beiden Weltkriegen: Ja, es wird wieder Licht! Es gibt Hoffnung! Es bricht eine bessere Zeit an! Und Gott hat dabei sehr wohl seine Finger mit im Spiel. Er schickt uns Hoffnungsträger und Lichtbringer – wie diesen Jesus von Nazareth damals. Es ist ja kein Zufall, dass wir seine Geburt jetzt in der finstersten Zeit des Jahres feiern, rund um die Wintersonnenwende: Gerade dann, wenn es am dunkelsten ist, schickt Gott ein Licht. „Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht.“ Ich darf mir Hoffnung schenken lassen von dieser Zusage und Ankündigung. Gott will es hell machen in meinem Leben, er hat Mitleid mit denen, die in Finsternis sitzen. Er will Licht und Leben in Fülle für jede und jeden von uns.

 

KINDER DES LICHTS

 

Gott will aber nicht nur jeder und jedem Einzelnen von uns Licht schenken. Er will auch, dass wir selbst, jede und jeder von uns, Lichtträger und Hoffnungsträgerin werden. Gott braucht Menschen, die das Licht weiterreichen. Wenn wir göttliches Licht erleben – und sei es nur ein Funke –, dann sollen wir es weitertragen. Wenn wir Licht am Ende des Tunnels wahrnehmen – dann sollen wir anderen davon erzählen. „Lebt als Kinder des Lichts!“ heißt es im Epheserbrief (Eph 5,8). Das Licht bewirkt große Freude und Jubel, sagt der Prophet Jesaja in dieser Lesung heute. Und „das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor“, führt der Epheserbrief weiter (Eph 5,9). Wenn wir, gerade in Krisenzeiten, einfühlsam, aufmerksam und friedlich miteinander umgehen, dann kann das Licht Gottes sich ausbreiten, dann kann die Welt wirklich heller und freundlicher werden – im Sinne von ‚Andrà tutto bene – alles wird gut‘. Ich wünsche Ihnen von Herzen eine gesegnete, lichtvolle Weihnacht! Amen.