Corona – Seelsorge auf Sparflamme?
Ein ganz persönlicher Erfahrungsbericht aus schwierigen Zeiten
Corona hat für mich als Seelsorger eher bedeutet, zielgerichteter, ruhiger, besonnener, konzentrierter als in ‚normalen‘ Zeiten arbeiten zu können, weil einfach weniger ‚los‘ war. Aber ‚arbeitslos‘ habe ich mich beileibe nicht gefühlt. Aber der Reihe nach…
Als die Bestimmungen verschärft worden waren und keine Gottesdienste mehr stattfinden durften, auch keine Hausbesuche mehr möglich waren (Beerdigungen waren zumindest in Bayern nur mehr am Grab bzw. der Urnenwand mit maximal 15 Personen gestattet), galt es auch für mich umzudenken: Wie werde ich mit meinen pastoralen Mitarbeitern und den drei Pfarrsekretärinnen, die in diesen Zeiten (und auch in Zeiten meines Klinikaufenthalts vorher) Großartiges geleistet haben, meinen Gemeinden gerecht? Was können wir trotz oder gerade in Corona-Zeiten anbieten? (Nebenbei bemerkt: Unsere eine Nachbarpfarrei, schon zu Passauer Stadtgebiet gehörend, heißt ausgerechnet St. Korona, benannt nach der Schutzpatronin gegen Seuchen…)
Es war die Zeit vor Ostern, als ich mich dazu entschloss, zunächst einmal die ca. 40 Kranken anzurufen, die auf der Besuchsliste für die Krankenkommunion stehen – P. Jobi hat dies eine Woche später ebenfalls getan. Diese lieben Menschen haben sich über den Anruf sehr gefreut, haben ihr Herz über ihre Wehwehchen ausgeschüttet, aber auch über die nicht mehr stattfindenden Besuche ihrer Verwandten und Bekannten geklagt – und sie haben sich nach einem mehr oder weniger langen Gespräch sehr für den Anruf bedankt. Außerdem – Besuche zu Hause waren ja nicht mehr möglich – habe ich bei Todesfällen sehr intensive Telefonate mit den engsten Angehörigen geführt. Und so war es dann auch möglich, die Abschieds- oder Beerdigungsfeiern auf den Friedhöfen würdig zu gestalten, natürlich mit dem Hinweis, dass es eigenartige Zeiten seien: Da, wo wir auf Tuchfühlung und Nähe gehen wollen und sollen, hilft man sich am besten, wenn man auf Distanz geht! Und auch nach diesen Feiern musste und durfte auch Zeit sein, noch einmal mit den Angehörigen Kontakt aufzunehmen und dadurch auch ‚nachgehende‘ Seelsorge zu betreiben. Im Übrigen ist in Kirchberg v. W. die Osterkarte für Angehörige, die in den letzten Monaten ein Familienmitglied durch den Tod verloren haben, sehr gut angekommen, erkennbar an mehreren dankbaren Telefonanrufen.
Ein großes Anliegen war es mir, die Pfarrverbands-Homepage in diesen besonderen Zeiten besonders zu pflegen – durch (Segens-) Gebete, Gedanken, Ansprachen usw. Auch wenn hier, allein schon von deren technischer Ausstattung her, nicht alle Pfarrangehörigen erreicht werden konnten, so habe ich doch durch die Rückmeldungen Wertschätzung und Anerkennung erfahren. Unsere spezielle ‚Corona-Ausgabe‘ des Pfarrbriefes namens Kirchenfenster hat großen Zuspruch erfahren, sichtbar auch daran, dass alle Exemplare in den ja tagsüber offenen Kirchen schnell vergriffen waren.
Lange habe ich überlegt, mich dann aber im Gegensatz zu manchen katholischen und evangelischen Kollegen nicht zu Gottesdiensten vor Ort mit nur ein paar handverlesenen Gläubigen oder ganz ohne sie, über livestream oder youtube, entschließen können. Eine Wende hin zu einer „virtuellen Frömmigkeit“, zum „Mahl aus der Ferne“ und das Knien vor dem Bildschirm ist in der Tat eine seltsame Sache. Die Gottesdienstübertragungen mit Bischof Oster im Lokalfernsehen waren aber sehr wohl angebracht und hilfreich, gerade für ältere Menschen, die ja vielfach nicht die Pfarrverbands-Homepage einsehen können.
Ein letztes: Ich bin im Pfarrverband ziemlich viel mit dem Auto oder dem E-Bike herumgefahren, habe mich ab und zu zum Gebet in die stillen Kirchen hineingesetzt, bin dort auch vereinzelt mit Menschen (auf Distanz natürlich…!) ins Gespräch gekommen. Und ich habe die verschiedenen Dörfer und Weiler im Pfarrverband systematisch ‚erwandert‘, habe mir also Wegstrecken ausgesucht, bei denen ich an vielen Häusern vorbeigekommen bin. Und diese Nordic-Walking-Wanderungen haben lange gedauert, weil immer wieder mal fröhliche, mal nachdenkliche Worte zu wechseln waren. Alte und junge Menschen, einzeln oder zu mehreren, auf der Hausbank oder im Garten, waren für kleine Gespräche offen und bereit (und haben es bedauert, mich wegen Corona nicht auf ein Bier einladen zu dürfen). Und da ist mir wieder der alte Grundsatz eingefallen, den Tom Peters und Robert H. Waterman Jr. in den 80iger Jahren des vorigen Jahrhunderts geprägt haben: Sie haben vom ‚management by walking around‘ (MBWA) gesprochen, also vom ‚Führungsstil durch Herumlaufen‘. Gemeint war da die Leitung eines Betriebes oder einer Organisation nicht durch Herbeizitieren der Angestellten, sondern durch beständige Besuche und Gespräche vor Ort. Nun, bei mir war es dann wohl management by nordic walking around…
Fazit: Die Coronazeiten habe ich als Seelsorger bis jetzt recht spannend erlebt, zum kleinen Teil auch als entspannend, weil die Terminfülle weggefallen ist. Viele persönliche Gespräche konnten geführt, manches schon lange bereitliegende theologische Buch gelesen, Predigten für die Zukunft ausgearbeitet, mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern länger als sonst gesprochen werden – trotz oder wegen Corona nahe am und beim Menschen.
Markus Krell